Vermutlich FALSCH Würde man die vier Buchstaben als Strassennamen deuten, so wäre das Kürzel auf dem Stein eine Bezeichnung für einen Weg, auf dem die Bauern früher ihre Tiere zur Weide auf den Strassberg in Hochfelden führten. Solche Weidwege, die von allen benutzt werden durften, also «gemein» waren, gab es vielerorts, so zum Beispiel auch im Bülacher Höhragen, wo es seit dem Mittelalter immer wieder Unstimmigkeiten bezüglich der Weidrechte gab. Um diesen Streitigkeiten ein Ende zu setzen, wurden schliesslich im Jahr 1744 die Grenze zwischen dem gemeinsam benutzten und dem ausschliesslich Bülach zustehenden Weidgang durch Grenzsteine bezeichnet. Diese Steine trugen die Buchstaben BVH (Bülach und Höri) GSWG (Gemeinsamer Weidgang). Im Jahr 1948 war nach einem Bericht der Bülacher Förster noch einer dieser Steine im Höhragen sichtbar. Über ihren heutigen Verbleib ist nichts bekannt.
Auch heute noch besitzt Bülach Wald auf dem Strassberg in Hochfelden. Der Zugang zu ihm führte aber mit grosser Sicherheit nicht am «grauen Stein» vorbei, weil dies für die Bülacher ein doch eher grosser Umweg bedeutet hätte.
Vermutlich RICHTIG Der Ort, an dem der Stein gestanden hat, heisst heute «Grauenstein». Der Flurname ist sogar noch älter als der gefundene Grenzstein selbst. Eine erste Erwähnung dieser Bezeichnung findet sich bereits in der Offnung (Rechtsurkunde) von Hochfelden aus ca. dem Jahr 1500, in welcher der damalige Grenzverlauf zwischen Hochfelden und Bülach beschrieben wird: «(…) den weg nider biss uff den grawen stein, unnd von dem grawen stein dz moss uff (…)». In diesem Kürzel GWST steht das ältere hochdeutsche Wort «grâw» und heisst «grau». Es hat sich sprachlich erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts zu unserem Doppellaut «au» gewandelt. Warum dieser Stein diesen Namen bekommen hat und welche Bedeutung er hatte, ist nicht mit Sicherheit geklärt und bleibt letztlich sein Geheimnis. Er wird als Grenzstein gedeutet.
Der «Graue Stein» diente auch als Grenzstein bei der Einteilung der Fischereirechte (Fischenzen). Die Glatt wurde zu Zeiten des Mittelalters in 8 Abschnitte eingeteilt. Der letzte Abschnitt erstreckte sich von der Brücke in der Furt bis hinunter zum Grauenstein, wie es in der Glattordnung aus dem Jahr 1554 festgehalten ist.
Es ist anzunehmen, dass auf die Verleihung des Stadtrechts im Jahr 1384 auch die Beschaffung des Bülacher Stadtsiegels folgte. Es erscheint erstmals im Jahr 1385 an einem Bürgschaftsbrief der Stadt Bülach. Es führt die Umschrift «S’[igillum] CIVIUM DE BULLACH» (Siegel der Bürger von Bülach) und in der Mitte befindet sich ein Rost, zu dessen Seiten sich zwei kleine österreichische Bindenschilden befinden. Der Querbalken im Wappen wird als «Binde» bezeichnet. Der Rost erinnert an den im Jahr 811 erwähnten Schutzpatron der Kirche Bülach, den heiligen Diakon Laurentius, der im Jahr 258 zu Rom den Märtyrertod auf dem Grillrost fand und deswegen zum Schutzpatron gegen Feuersbrunst geworden ist.
Als Erster malte im Jahr 1486 der Zürcher Chronist Gerold Edlibach in seinem Wappenbuch das farbige Wappen des «Stetly Bülach», ein silberner Rost auf rotem Grund. Wohl unter der Einwirkung der durch den 1519 ernannten Leutpriester Huldrych Zwingli angestossenen Reformation verschwand dann der ursprüngliche Rost als Erinnerung an einen katholischen Heiligenkult aus dem Bülacher Wappen und machte einem von Rot und Silber schräg geteilten Schild Platz, wie es unter anderem erstmals auf einer Ämterscheibe des Glasmalers Ulrich Ban II. aus dem Jahr 1544 zu sehen ist.
Obschon über die folgenden Jahre sowohl in Bezug auf die Richtung der Schrägteilung als auch auf die Anordnung der Farben Rot und Silber alle Variationen des Wappens zu finden sind, kann davon ausgegangen werden, dass die Schrägteilung von unten links nach oben rechts mit der Farbgebung im oberen Teil Silber und im unteren Teil Rot als die «offizielle» Wappendarstellung anzusehen ist. Dies wird insbesondere dadurch bekräftigt, dass auf dem noch heute vorhandenen Wasserbehälter im Bülacher Rathaus aus dem Jahr 1676 ein solches Wappen abgebildet ist. Des Weiteren scheint es so, dass die Bülacher zwar für Anliegen in Bezug auf die Obervogtei Bülach ihr neues Wappen verwendeten, aber für innerstädtische Angelegenheiten nach wie vor das ursprüngliche Wappen als ihr Stadtwappen verwendeten. Daher treten auch die beiden Wappen beim erwähnten Wasserbehälter im Rathaus miteinander in Erscheinung.
Die Bülacher waren vermutlich mit ihren zwei Wappen nie ganz zufrieden und versuchten daher später, die beiden Darstellungen zu vereinen. Ab etwa Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in vielen Darstellungen das schräggeteilte Schild mit dem Laurentiusrost kombiniert. Sogar wurden alte Wappendarstellungen, wie beispielswiese die Renaissanceschnitzerei mit Hirschgeweih in der Rathausstube, übermalt und mit dem heiligen Laurentius und seinem Rost ergänzt.
Diesen Unklarheiten in Bezug auf die Wappendarstellungen der vergangenen Jahre wollte der Bülacher Gemeinderat im Jahr 1928 ein Ende setzen und liess durch den Historiker Walter Hildebrandt ein Gutachten erstellen, das mit einem Antrag zur Wiederaufnahme des ursprünglichen Wappens mit dem silbernen Rost auf rotem Grund am 8. August 1928 an der Gemeindeversammlung traktandiert wurde. Mitunter begründete er den Antrag auch mit der Tatsache, dass die «Zusammenschusterung» der beiden Wappen schwer gegen die heraldischen Gesetze verstosse, da das Metall des Rostes auf das Metall des silbernen Schildteils zu stehen kam. Jedoch konnten sich die Gegner des Antrages im ersten Anlauf durchsetzen. Sie betitelten die Arbeit des eingesetzten Historikers gar als «Schnüffelei eines jungen Historikers». Erst der erneute und besser begründete Vorstoss des Gemeinderates anlässlich der Gemeindeversammlung vom 3. Juli 1931 führte dazu, dass die Bülacher wieder zu ihrem ursprünglichen Wappen zurückkehrten und fortan den silbernen Laurentiusrost auf rotem Grund als ihr Stadt- und Gemeindewappen bezeichneten, wie es noch heute verwendet wird.